Sunk Cost Fallacy – Grund für Fehlentscheidungen

Hast du dich mal gefragt, warum du Dinge manchmal fortführst, obwohl es vernünftiger wäre, sie aufzugeben? Nein? Noch nie drüber nachgedacht? Nun, dann stehst du schon mit dem ersten Fuß in der Rückblickfalle – der Sunk Cost Fallacy. Sie ist oft dafür verantwortlich, dass wir schlechte Entscheidungen treffen. Bist du dir dieses Denkfehlers nicht bewusst, schaltet sich nämlich unbemerkt dein innerer Autopilot ein und übernimmt das Steuer. Am Ende schleppst du Fehler der Vergangenheit mit in die Zukunft und wunderst dich, wieso die Lage immer verfahrener und der Mühlstein um deinen Hals immer schwerer wird.

Podcast und YouTube-Video enthalten die zu diesem Beitrag passende Nachdenkgeschichte »Die Brücke«

Die Geschichte vom Fischer Franco

Fischer Franco fuhr jeden Tag mit seinem alten Boot aufs Meer hinaus. Eines Morgens warf er, wie immer, sein Netz aus und wartete geduldig. Die Zeit verging, das Meer war ruhig und still. Als er das Netz schließlich einholte, war es leer, bis auf einige Algen und ein paar Minifische. Enttäuscht dachte er an all die Zeit und Mühe, die er an diesem Tag bereits investiert hatte und tat sich schwer, sein Vorhaben erfolglos abzubrechen. Also warf er das Netz wieder aus, trotz der Müdigkeit, die langsam in ihm aufstieg. Franco holte sein Netz wieder und wieder ein, doch es brachte nichts als leere Muschelschalen und noch mehr Algen zurück. Seine Finger waren rau und die Hände schmerzten vom Ziehen und Zerren, doch er gab die Hoffnung nicht auf, beim nächsten Wurf endlich den großen Fang zu machen.

Während er erneut das Netz einholte, näherte sich ein zweiter Fischer. Er sah Franco eine Weile zu und rief schließlich: »Warum wirfst du dein Netz immer wieder an derselben Stelle aus?« Franco zuckte mit den Schultern und antwortete: »Ich habe den ganzen Tag hier gearbeitet. Ich kann doch nicht einfach alles aufgeben und an einer anderen Stelle von vorn anfangen.« Der Fischer nickte. »Oh je, da hat dich wohl die Sunk Cost Fallacy fest im Griff«, sagte er. »Manchmal, wenn wir zu lange an einer Stelle verharren, erkennen wir nicht, dass es dort einfach nichts mehr zu holen gibt. Dann ist es an der Zeit für einen Strategiewechsel.« Franco schaute auf das leere Netz in seinen Händen. Fischte er dort wirklich noch aus Überzeugung oder aus Angst, der ganze Aufwand könnte umsonst gewesen sein?

Ein Fischer in seinem Boot holt ein leeres Fischernetz ein. Er ist in der Sunk Cost Fallacy gefangen.

Fischer Franco fängt keine Fische, tut sich jedoch schwer, seine Strategie zu wechseln. Foto: DALL.E

Mit einem tiefen Atemzug zog er das Netz ein letztes Mal aus dem Wasser, legte es ins Boot und ruderte zu einer anderen Bucht. Dort warf er es erneut aus und spürte bald einen starken Zug. Franco lächelte und dachte bei sich: »Es ist wohl nicht die Mühe allein, die zählt, sondern die Weisheit, zu wissen, wann es an der Zeit ist, etwas Neues zu versuchen.«

Was ist die Sunk Cost Fallacy?

Zuerst einmal eine Erklärung der Sunk Cost Fallacy in einem Satz: Tappst du in diese Falle, bedeutet das, du hältst an einer Entscheidung fest, nur weil du bereits viel hineingesteckt hast. Das machst du natürlich nicht bewusst, sondern leider vollautomatisch. Das ist eine sogenannte kognitive Verzerrung, vor der niemand sicher ist.

Ich nenne die Sunk Cost Fallacy (Versunkene-Kosten-Falle) gerne Rückblickfalle, weil es hierbei nicht ausschließlich um Kosten im Sinne von Geld geht, sondern um von dir geleistete Aufwendung jeder Art. Der unreflektierte Rückblick darauf beeinflusst dein Urteilsvermögen ziemlich stark – insofern du nicht gegensteuerst. Der bereits getätigte Aufwand kann finanzieller Art sein, aber die Faktoren Zeit, Mühe und Gefühle spielen eine ebenso große Rolle. Kurz gesagt: Du neigst dazu, eine Sache fortzuführen, wenn du bereits Geld, Energie oder anderweitige Anstrengung dafür eingesetzt hast – völlig unabhängig davon, wie erfolgversprechend das zukünftig ist​. Du hast also keinen objektiven Blick mehr darauf und triffst so wahrscheinlich nicht gerade die besten Entscheidungen.

Warum ist die Sunk Cost Fallacy ein Problem?

Die Sunk Cost Fallacy kann also dazu führen, dass du unlogisch handelst und Dinge tust, die eigentlich gar nicht in deinem Interesse sind. Du lässt dich so von der Vergangenheit leiten und blendest das aktuelle und zukünftige Kosten-Nutzen-Verhältnis quasi aus. Das endet oft in einem Teufelskreis, indem du immer mehr in eine Sache reinsteckst, die bereits zum Scheitern verurteilt ist.

Eine blonde Frau mit rosa Brille und Blümchenbluse schaut schockiert drein, als sie die Sunk Cost Fallacy versteht.

Sunk Cost Fallacy erkennen: Durch die Rückblickfalle führst du Projekte oder Entscheidungen aus der Vergangenheit oft aus den falschen Gründen fort. Foto: Jalal Sheikh / pixabay

Beispiele für Sunk Cost Fallacy im Alltag

Die Rückblickfalle lauert in nahezu allen Lebensbereichen. Die wichtigsten Felder sind wohl für die meisten Menschen Partnerschaft, Freizeit, Arbeit, Gesundheit und Finanzen. Hier einige konkrete Beispiele der Sunk Cost Fallacy im Alltag:

Sunk Cost Fallacy in Beziehungen

„Jetzt sind wir schon so lange zusammen …“ Kommt dir der Satzbeginn bekannt vor? Der denkbar schlechteste Grund, das Leben miteinander zu verbringen, ist wohl der, dass die Partnerschaft bereits lange besteht. Tief in deinem Inneren weißt du das vielleicht. Doch kann die Rückblickfalle dafür sorgen, dass du dich aus ungesunden oder gar toxischen Beziehungen trotzdem nicht löst – es sei denn du hinterfragst deine Entscheidung konkret mit Blick auf die Sunk Cost Fallacy.

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Die Rückblickfalle in der Freizeit

Nehmen wir ein Beispiel aus dem Gaming-Bereich: Viele Spiele und Gratis-Apps sind darauf ausgelegt, dass du Geld investierst, um schneller voranzukommen oder zusätzliche Features freizuschalten. Hast du erst einmal Geld bezahlt, fällt es schwer, damit aufzuhören und die App wieder zu löschen, selbst wenn sie dir irgendwann nicht mehr guttut, zu viel Zeit stiehlt und negative Auswirkungen auf dein Leben hat. Weitere Schauplätze sind:

Hobbys und Sammelleidenschaften: Wenn du viel Geld und Zeit in ein Hobby investiert hast, sei es Modellbau, Sammelkarten oder Bastelprojekte, kostet es Überwindung, damit aufzuhören, selbst wenn das Interesse nachlässt.

Abonnements und Mitgliedschaften: Ob es sich um Streaming-Dienste, Zeitschriftenabonnements, das Fitnessstudio oder andere Mitgliedschaften handelt: Hast du dich einmal angemeldet, kündigst du nicht mehr so einfach, selbst wenn du es gar nicht mehr nutzt.

Filme, Bücher, Klamotten & Co.: Hast du dich schon mal bis zum Schluss durch ein echt schlechtes Buch oder einen miesen Film gekämpft, nur weil du schon angefangen hattest? Oder ein unbequemes Kleidungsstück getragen (alternativ im Schrank vergraben, statt es zurückzugeben), einfach nur, weil es teuer war? Gerade solche Entscheidungen führen oft zu weiteren unangenehmen Erfahrungen und der Verschwendung von Zeit und Geld.

Ein Mann schleppt einen schweren Koffer: Ein Sinnbild für zu viel Gepäck aus der Vergangenheit.

Unnötig schweres Gepäck auf deinem Lebensweg: Durchschaust du die Sunk Cost Fallacy, bist du zukünftig in der Lage, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen und den Ballast abzuwerfen. Foto: andreas160578 / pixabay

Sunk Cost Fallacy im Job

Du arbeitest schon lange bei einer Firma, fühlst dich aber unglücklich? Dann bist du in guter Gesellschaft, denn viele Menschen bleiben in einem Job, nur weil sie lange dabei sind und sich gut auskennen. Ist ja auch bequem, oder? Dabei kann es sich lohnen, neue Optionen zu prüfen und die Komfortzone des Altbekannten mal zu verlassen. Die gesammelte Erfahrung ist dabei schließlich keinesfalls verloren, sondern wertvolles Know-how für neue Herausforderungen. Auch die Beibehaltung eines einmal begonnen Studiengangs, obwohl er sich nicht als das herausstellt, was du dir erhofft hast, ist ein Klassiker. Je länger du hier am falschen Weg festhältst, desto übler für deine ganze Karrierelaufbahn und vor allem für deine Lebensqualität.

Die Rückblickfalle bei Gesundheitsfragen

Beginnst du eine ärztliche Behandlung, wirst du vielleicht den Drang spüren, sie weiterzuführen, selbst wenn die Ergebnisse weit hinter deinen Erwartungen zurückbleiben. Ein Arztwechsel kommt dir gar nicht in den Sinn, weil du schon „so lange“ dort bist. Hier ist es umso wichtiger, die aktuellen Ergebnisse möglichst objektiv zu betrachten und gegebenenfalls eine neue Richtung einzuschlagen.

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Sunk Cost Fallacy in der Wirtschaft, bei Investments und Finanzen

Du hast in Aktien, Fonds oder Kryptowährungen investiert? Wenn die Kurse fallen, hältst du vielleicht trotz schlechter Prognosen an deinem Investment fest, anstatt die Reißleine zu ziehen (Stop Loss). Um kluge Anlageentscheidungen zu treffen, ist es wichtig, die Sunk Cost Fallacy immer vor Augen zu haben und alle Entscheidungen basierend auf aktuellen Informationen und Marktsituationen zu treffen. Auch wenn du Unternehmer bist, kannst du der Rückblickfalle zum Opfer fallen, indem du weiterhin an Projekten festhältst, die eigentlich keine Zukunft haben. Ein bekanntes Beispiel ist hier übrigens die Concorde. Das Überschallflugzeug war trotz offensichtlicher finanzieller Misserfolge (zu hohe Betriebskosten, zu hohe Ticketpreise) viele Jahre im Einsatz. Die britische und französische Regierung hatte hier sehr viel Geld investiert. Erst ein schlimmer Unfall der Air France im Jahr 2000 beendete das Projekt durch äußere Umstände – nicht durch die rechtzeitige rationale Überlegung der Verantwortlichen.

Ein Schaf steht auf einer Wiese und schaut zurück: Ein Sinnbild für die Rückblickfalle (Sunk Cost Fallacy)

Blicke nicht zurück, wieviel Energie und Geld du bereits in etwas investiert hast. Sondern schau dir lieber an, wie erfolgsversprechend ein Weiterführen der Sache für die Zukunft ist. Foto: Efraimstochter / pixabay

Selbstcoaching: Wie vermeidet man die Sunk Cost Fallacy?

Die Sunk Cost Fallacy hat neben dem Blick in den Rückspiegel auch viel mit Bequemlichkeit zu tun, keine Frage. Im ersten Moment scheint es oft einfacher, so weiterzumachen wie bisher, selbst wenn du damit eigentlich unzufrieden bist. Doch ist das Risiko leider sehr hoch, dass du dir deine Situation damit bloß schönredest. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, Entscheidungen bewusst zu treffen und sie von der Zukunft statt von der Vergangenheit abhängig zu machen. Nun noch ein paar Selbstcoaching-Fragen für dich:

1) Warum willst du das angefangene Projekt fortsetzen beziehungsweise an deiner früher getroffenen Entscheidung festhalten? Beschreibt deine Antwort hauptsächlich bereits getätigte Aufwendungen, dann fahre mit Frage 2 fort. Falls nicht, scheint deine Entscheidung auf zukunftsfähigen Beinen zu stehen. Weiter so!

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2) Hättest du das Projekt noch nicht begonnen, würdest du mit deinem heutigen Wissen jetzt damit starten? Bist du dir unsicher, fahre mit Frage 3 fort. Lautet deine Antwort JA, scheinst du gute Gründe zu haben, an den zukünftigen Projekterfolg zu glauben. Wunderbar!

3) Warum sollte das Projekt in der Zukunft erfolgreich verlaufen, obwohl das in der Vergangenheit nicht der Fall war? Was wirst du anders machen? Fällt dir nichts Brauchbares dazu ein, ist es wahrscheinlich cleverer, die Reißleine zu ziehen und die Sache einzustampfen (womit ich kein verfrühtes Aufgeben meine, denn manche Dinge brauchen einfach etwas Zeit) – oder sie zumindest erst einmal auf Eis zu legen. Du läufst ansonsten Gefahr, immer mehr Kosten und/oder Energie darin zu versenken. Neues Spiel, neues Glück. Hast du aussichtsreiche Ideen oder strategische Änderungen für einen erfolgreichen Projektverlauf, dann gib der Sache vielleicht eine zweite Chance und GO FOR IT!

Also, kurz zusammengefasst: Triff deine Entscheidungen bewusst und frage dich immer, ob der Grund, etwas laufen zulassen, erwartete Erfolge in der Zukunft sind oder du in der Sunk Cost Fallacy steckst. Nur so kannst du sicher sein, dass du am Ende wirklich in deinem Interesse handelst und dir nicht selbst auf den Füßen stehst. Viel Erfolg und Spaß dabei!

Ich hoffe, ich konnte ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Zu diesem Thema habe ich auch eine Nachdenkgeschichte geschrieben: Die Brücke – schlechte Entscheidungen.

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