Lebenswege: Geschichte der Schwestern
Manchmal reicht ein einziger Moment, um zu zeigen, wie unterschiedlich zwei Lebenswege enden können, selbst wenn sie aus derselben Wurzel wachsen. Zwei Stimmen, ein Schicksal, und am Schluss eine Erkenntnis, die mitten ins Herz trifft.
Zwei Schwestern (Geschichte über Lebenswege)
Der Schlüssel hakte, als Sue die alte Wohnungstür aufschloss. Ein letzter Hauch von kaltem Rauch und verschüttetem Wodka hing noch in den Polstermöbeln – der vertraute Geruch ihrer Kindheit. Lana stand bereits im Flur, mit einer sperrigen Umzugskiste in den Armen. Sue trat ein, die Dielen knarrten unter ihren Füßen, und in ihrem Kopf hörte sie die Stimme ihrer Mutter, zersplittert zwischen Schlaf und Rausch. Sie sahen sich für einen Moment wortlos an. Die Stille lag wie ein verständnisvoller Zeuge zwischen ihnen, denn sie wussten genau, was auch die andere in diesen Räumen damals gesehen hatte.
Sie begannen, die Schränke auszuräumen. In den breiten Schubladen fand sich ein vergilbtes Foto zweier Mädchen mit Zöpfen, Arm in Arm, bevor ihnen schließlich das Leben dazwischenkam. Daneben alte Briefe und leere Flaschen, die wie stumme Zeugen übrig geblieben waren. Zwischendurch hielten sie inne, tauschten leise gemeinsame Erinnerungen aus, nicht nur schlechte, sondern auch schöne und unbeschwerte.
Am späten Nachmittag klopfte es. Der Hausverwalter trat ein. Ein älterer Mann, mit grauen Augenbrauen, die sich prüfend mit einer Prise Überraschung in die Höhe schoben. „Na, ihr beiden. Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, dass ihr hier im Hof gespielt habt.“ Er zögerte, sah erst zu Sue, dann zu Lana. „Und? Wie ist es euch ergangen?“
Lana setzte die letzte Kiste ab und atmete tief ein. Ihre Lunge rasselte. „Bei mir war es bisher ein ständiger Kampf“, antwortete sie spontan und ehrlicher, als ihr im Nachhinein lieb war. „Erst Schule, dann Arbeit, alles ist einfach nur eine Last und bringt am Ende sowieso nichts. Sorgen, viele Rückschläge, was soll ich mich da überhaupt anstrengen.“
Sue richtete sich auf und wischte Staub von ihren Händen. „Ich habe mir ein gutes Leben aufgebaut“, sagte sie leise, beinahe überrascht von den eigenen Worten. „Einen Beruf, den ich mag, eine Familie, die mir Halt gibt. Es war nicht immer leicht, aber ich habe es geschafft.“
Einen flüchtigen Moment lang sahen sie sich in die Augen und sagten dann fast zeitgleich in Richtung Hausverwalter:
„Sie wissen, wie wir aufgewachsen sind. Deshalb konnte ich gar nicht anders, als zu scheitern.“
„Sie wissen, wie wir aufgewachsen sind. Deshalb habe ich alles dafür getan, es besser zu machen.“
Die Worte hingen wie eine dunkle Regenwolke in der Luft, die soeben die Antwort darauf bekommen hat, zu wem sie ziehen wird.

Sue und Lana in der verlassenen Wohnung ihrer Kindheit. Ein stiller Moment zwischen Erinnerungen, Abschied und Neubeginn. Foto: Freepik KI
Meine Gedanken über Lebenswege
Es ist verrückt, wie das Leben manchmal spielt. Zwei Menschen, die unter exakt denselben Umständen aufwachsen, verankern die Erlebnisse auf ganz unterschiedliche Weise in ihrem Unterbewusstsein. Damit legen sie die Basis für ihre Lebenswege und Entscheidungen, die sie dann in die entsprechend eingeschlagene Richtung führen. Die einen nehmen das erlebte Chaos als Treibstoff und bauen sich damit eine Zukunft, die anderen stolpern darüber und sind überzeugt: „Es konnte ja nicht anders kommen.“ Beides ist menschlich und absolut verständlich. Aber vielleicht steckt in dieser Geschichte ein kleiner Hinweis darauf, dass wir die Grundlage für unseren persönlichen Lebensweg mit den eigenen Gedanken und Überzeugungen schaffen. Klar, wir haben oft keinen Einfluss darauf, was uns passiert, aber immer darauf, wie wir die Geschichte von dort aus weiterschreiben.
Tarot-Reflexion
Diese Nachdenkgeschichte trägt die Energie der Karte „Der Teufel“. Sie erinnert uns daran, dass wir alle Fesseln aus Kindheit, Schmerz oder Prägung mit uns tragen: so wie die beiden Schwestern den Schatten ihrer Mutter. Aus ihr spricht die Versuchung, zu sagen: „Ich kann nicht anders, als den gleichen Weg zu gehen. Es ist vorbestimmt, ich bin gefangen.“ Doch die Ketten, die der Teufel legt, sind nie so fest, wie sie scheinen. Manch einer streift sie ab und blickt mutig nach vorn. Ein anderer bleibt damit verhaftet und sieht darin die Erklärung für all seine Probleme.

Die Geschichte wie auch das Tarot selbst laden dich dazu ein, dir die Frage zu stellen: Welche Fesseln in meinem Leben sind wirklich unlösbar und welche halte ich nur deshalb fest, weil ich glaube, es müsse so sein?
Du möchtest mehr Klarheit in deinem Leben und besser verstehen, was gerade bei dir los ist? Dann schau doch mal bei meinen Tarot-Impulsen (coming soon) vorbei.
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